ChatGPT – Texters Freund oder Feind?

Eine (subjektive) Bestandsaufnahme von Martin, Texter und Konzeptioner im Bergwerk.

2 Min.

Martin Wiedemann
Martin

Wie bitte? Ein Tool, das in Sekunden fertig formulierte Texte zu allen möglichen Themen liefert, in unterschiedlichen Genres, Formen und Sprachen? Das sogar Witze erzählt? Kein Wunder, dass viele Journalisten und auch Texter (m/w/d) das Ende ihres Berufsstandes gekommen sehen.

Na gut, blicken wir dem Ende mutig ins Auge. Mein erster Eindruck: Das glaube ich jetzt nicht. Wie der Bot kurz nachdenkt und dann Worte ausspuckt. Erst zögerlich, dann immer schneller. Bis alles draußen ist. Ich lese parallel mit und merke: Das hat Hand und Fuß. Ist gefällig und handwerklich in Ordnung. Sauber strukturiert, mit Einstieg, Mittelteil und Schluss. Da sind Absätze sinnvoll voneinander getrennt, es gibt Bullets und keine Kommafehler. Ich stelle der KI eine weitere Aufgabe. Und noch eine. Und noch eine. Wow. Ganz großes Kino. Und das kostenlos.

Die – erhoffte? – Ernüchterung kommt auf den zweiten Blick. Die Texte fühlen sich leblos an, haben keine Seele, keinen Esprit. Es gibt inhaltliche Mängel und Fehler im Detail. Kein Wunder, dass der Bot im Footer pauschal jegliche Verantwortung für die Richtigkeit seines Contents ablehnt. Naja, denke ich mit einer Prise Häme, ist also doch nicht das Ende der Welt, wie wir Schreibenden sie kennen. 

Bis ich darüber nachdenke, was ChatGPT eigentlich ist: ein Werkzeug, kein Serviertablett. Der Bot liefert Content und macht verwertbare Vorschläge. Er ist ein Impulsgeber, der die Angst vor dem weißen Blatt nimmt. Das macht er sehr gut. Doch es liegt am User, genau hinzuschauen, zu prüfen, weiter zu recherchieren und so lange zu feilen, bis ein formal und inhaltlich erstklassiger Text herauskommt. Ob in der Werbung, im Journalismus oder in der Wissenschaft.

Ich mache mir wegen ChatGPT keine Sorgen um das Texterhandwerk. Ich nutze den Bot, wenn ich Lust auf eine Anregung habe oder ordentlich formulierten Input zu einem Fachthema benötige. Aber es bleibt dabei: Ein professioneller Text braucht mehr als Content – er braucht Liebe. Und die kann ChatGPT nicht geben.

Würde ich es merken, wenn eine Nachricht, ein Fachartikel oder ein Prospekttext komplett aus dem Rechner kommt? Sicher nicht immer. Und ich möchte nicht wissen, wie viele Texte schon heute 1:1 aus der digitalen Retorte stammen. Meine auf jeden Fall nicht. Ich will Texte, die nach Leben schmecken, nicht nach Maschine. Texte, denen man ansieht, dass sie so lange geknetet wurden, dass sie fast nicht mehr zu verbessern sind. Texte von guten Köpfen, nicht von guten Algorithmen. Ich bin mir sicher, dass unsere Kunden das auch wollen.

Ein Wort noch zum Thema Witze. Was der Bot da abliefert, hätten wir in meiner Kindheit mit "Witz komm raus, du bist umzingelt" kommentiert. Beispiel gefällig? Hier das Ergebnis auf meine Eingabe "Erzähl einen Musikerwitz":

Warum hat der Musiker sein Notenblatt in den Kühlschrank gelegt?

Weil er dachte, er spielt eine Kühlschrank-Symphonie und wollte die richtige Temperatur für den Auftritt haben!

Ich denke, dass sich auch Comedians derzeit noch keine Sorgen um ihre Zukunft machen müssen.

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