FM: Frau Hillebrecht, Sie kamen zum Bergwerk mit dem Wunsch nach einer neuen Website. Erfahrungsgemäß zeigt sich, sobald man ins Gespräch kommt und tiefer in das Thema Marke einsteigt, dass bei einer solchen Anfrage mehr dahinter steckt.
SH: Das war auch bei uns so. Wir befanden uns am Beginn eines weitreichenden Veränderungsprozesses, den ich kurz nach meinem Einstieg als Geschäftsführerin initiiert habe. Durch eine Marktanalyse wussten wir, dass wir zwar einen hohen Bekanntheits- und Zufriedenheitsgrad bei unseren Bestandskunden haben, dass aber sowohl bei diesen als auch bei potentiellen Neukunden keine Klarheit hinsichtlich der Marke SüdWasser herrscht. Sie haben keine Transparenz über unser Leistungsportfolio, sie wissen nicht, was uns ausmacht und wofür wir stehen. Hinzu kommt, dass wir als Tochter eines Konzerns andere Strukturen haben als regionale Anbieter. Das waren für mich die Gründe, über eine Neuausrichtung der Marke SüdWasser nachzudenken.
FM: Welche Ziele haben Sie sich bei diesem Prozess gesteckt und wie messen Sie sie?
SH: Intern sollen sich unsere Mitarbeitenden stärker mit der Marke SüdWasser identifizieren. Wenn ich stolz auf mein Unternehmen bin und mit Stolz über SüdWasser berichte, dann gewinnt das Unternehmen und der bzw. die Mitarbeitende. Extern dient das neue Markenbild als sichtbares Zeichen unserer Veränderung. Wir wollen als dialogorientierter Partner und auch als Problemlöser in der Wasserversorgung wahrgenommen werden. Um das zu erreichen, muss die Marke profiliert und geschärft werden. Für 2023 haben wir erstmals KPIs entwickelt, mit denen wir in unterschiedlichen Bereichen unsere Performance messen. Dazu gehören auch die Markenbekanntheit und die Kundenzufriedenheit in der Anlage und im Rathaus.
Bevor man an den Äußerlichkeiten arbeitet, muss klar sein, was eine Organisation im Inneren ausmacht.<span class="quote-author">Solveig Hillebrecht, Geschäftsführerin von SüdWasser</span>
FM: Wie sind Sie diesen Veränderungsprozess angegangen und welche Dynamik hat er ausgelöst?
SH: Veränderung braucht Führung, klare Botschaften und Sichtbarkeit. Die Website ist auch in unserer Branche der erste und wichtigste Touchpoint mit möglichen Neukunden. Deshalb wollte ich mit ihr beginnen. Ein neuer Internetauftritt konnte aber nur das Ergebnis eines Prozesses sein, bei dem wir folgende Fragen beantwortet hatten: Was sind die Werte und das Selbstverständnis von SüdWasser? Wie wollen wir vom Kunden wahrgenommen werden? Was braucht der Kunde, was sind seine Bedürfnisse? Mit welchen Produkten erfüllen wir diese Bedürfnisse und wie heben wir uns von der Konkurrenz ab? Wie können wir unsere Wahrnehmung steigern und Markenklarheit schaffen?
FM: Wie haben Sie Ihre Mitarbeitenden über den Change-Prozess informiert?
SH: Soweit möglich im persönlichen Gespräch und mit regelmäßigen Newslettern. Wir waren von Anfang an maximal transparent, denn Kommunikation ist bei Change-Prozessen das A und O. Die Kolleginnen und Kollegen mussten verstehen, dass Veränderungen erforderlich sind, durften aber keine Angst vor ihnen entwickeln.
Uneingeschränkte Unterstützung eines Change-Prozesses wird man weder zum Start noch bis zum Ende erreichen. Nicht umsonst heißt es: Widerstand ist der siamesische Zwilling von Veränderung. Entscheidend ist es, das Team in den Prozess zu involvieren. Ich habe daher ein Change-Team mit dem Namen RISE gebildet: Motivierte Kolleginnen und Kollegen aus allen Unternehmensbereichen, die die Veränderung als große und wichtige Chance sehen. Mit diesem Team habe ich die Ziele des Prozesses definiert und besprochen, wie wir die Belegschaft über die Entwicklungen informieren.
Das neue Markenbild dient als sichtbares Zeichen unserer Veränderung.<span class="quote-author">Solveig Hillebrecht, Geschäftsführerin von SüdWasser</span>
FM: Sie haben mit Bergwerk einen externen Partner hinzugezogen. Warum hatten Sie das Gefühl, dass das notwendig war?
SH: Man kommt in Veränderungsprozessen an Stellen, bei denen man ohne externe Hilfe nicht weiterkommt. Es geht darum, die richtigen Fragen zu stellen, gemeinsam Antworten zu erarbeiten und Ergebnisse nachhaltig und professionell umzusetzen und zu verankern. Geschieht das nicht, dann können sich Prozesse schnell in die entgegengesetzte Richtung verändern. Impulse und die Methodik von außen sind auch deshalb wichtig, weil sie überprüfen helfen, ob der eingeschlagene Weg richtig ist oder einer Korrektur bedarf.

FM: Müssen Entscheidungen bei Veränderungsprozessen immer kollektiv getroffen werden?
SH: Wer sich auf einen solchen Weg begibt, muss flexibel sein und immer wieder Hindernisse überwinden. Wir haben stets versucht, im Kollektiv zu entscheiden. Die dann fast schon zwangsläufig auftauchenden Widerstände abzubauen, kostet viel Kraft. Zudem war es für viele Mitglieder des RISE-Teams neu, in dieser Art Verantwortung zu übernehmen. Ich habe erkannt, dass es Grenzen gibt, an denen entschieden werden muss, um den Gesamtprozess nicht zu gefährden. Kleine Justierungen zu diskutieren und vorzunehmen ist kein Problem, aber größere Teile des Prozesses in Frage zu stellen und immer wieder anpassen zu wollen, ist auf Dauer kontraproduktiv. Hier braucht es ein klares Ziel und klare, konsequente Führung.
FM: Das Delta zwischen dem Wollen und dem tatsächlichen Tun ist oft groß. Wie haben Sie es geschafft, dass aus einer klaren Strategie heraus auch die Umsetzung stattfindet?
SH: Die Mitarbeitenden wissen, dass es keine Alternative zur Veränderung gibt. Spielraum im Wie haben wir, aber das Ob steht nicht in Frage. Im laufenden Prozess haben wir tatsächlich schon viel erreicht. Doch Veränderung kostet Kraft. Es ist ein ständiges Abwägen zwischen Überforderung der Organisation und Vorankommen. Ich bin hier als Lokomotive unterwegs. Mein Ziel ist es, alle notwendigen Veränderungen zu definieren und umzusetzen und zu sichern. Schließlich wollen wir nach dem Erreichen des Gipfels nicht wieder den Weg zurückgehen, auf dem wir gekommen sind.
FM: Wie hat sich das Markenbild von SüdWasser im aktuellen Change-Prozess verändert?
SH: Unser Logo ist geblieben, alles andere war auf dem Prüfstand. Wir wussten, dass unser bisheriger Auftritt nicht passte und veraltet war. Doch bevor man an den Äußerlichkeiten arbeitet, muss klar sein, was eine Organisation im Inneren ausmacht: Wer sind wir, was wollen wir und wie treten wir dem Kunden gegenüber? Für die Beantwortung dieser Fragen brauchten wir externe Hilfe.
FM: Was ist dabei herausgekommen?
SH: Ein neuer, motivierender Blick auf das Warum und das Wie unserer Arbeit. Wir sind verantwortlich für das kostbarste Gut, nämlich Wasser. Wir nehmen diese Verantwortung an und ernst. Dieses Bewusstsein wollen wir nach außen tragen. Und: Wir denken nunmehr vom Kunden her und wollen im Dialog mit ihm nachhaltige Lösungen für die Wasserwirtschaft erarbeiten. Wir verabschieden uns von dem alten Denken, dass wir wissen, was gut für den Kunden ist.
FM: Der neue SüdWasser-Slogan lautet „Kostbares in guten Händen“. Welchen Purpose drückt dieses Leistungsversprechen nach innen und außen aus?
SH: Wir sind sehr froh über diesen Slogan. Er macht uns bewusst, welche Verantwortung wir im Rahmen unserer Dienstleistungen übernehmen. Und er wird unsere Außenwahrnehmung verändern. In Bayern gibt es keine Privatisierung der Wasserversorgung. Trotzdem werden wir von Kritikern mit Heuschrecken verglichen, also zwielichtigen Finanzinvestoren. Wasser gehört weder SüdWasser noch den Kommunen noch Unternehmen. Es ist ein Alleingemeingut, ohne das wir nicht leben können. Die Städte und Gemeinden tragen dafür Sorge, dass die Bürgerinnen und Bürger gut und sicher versorgt werden. Das ist eine lebenswichtige Grundversorgung. Mit dem Slogan „Kostbares in guten Händen“ sagen wir: Wir wissen, was es bedeutet, dieses wertvolle Gut zu pflegen. Wir sind aufgrund unserer Qualifikation in der Lage, diese Verantwortung zu übernehmen – gemeinsam mit den Kommunen. Er ist ein Zeichen an unsere Kunden, aber auch nach innen. Wir sind stolz auf das, was wir können. Wir sind stolz, unseren Beitrag zu leisten, das kostbarste Gut zu bewahren. Dieses Leistungsversprechen wird uns auch beim Recruiting helfen.

FM: Die Präsentation des neuen Markenbildes vor der gesamten Belegschaft steht bevor. Warum tun Sie das und warum laden Sie auch Ihre Gesellschafter ein?
SH: Um Mitarbeitende zu motivieren und zu halten, gibt es nichts Wichtigeres als Purpose und Stolz. Diese Veranstaltung ist ein wichtiger Meilenstein, um das Wir-Gefühl zu stärken und Veränderung zu verankern. Und es geht um Glaubwürdigkeit: Wenn wir zeigen, welchen Weg wir gegangen sind und wie die Zukunft aussehen wird, dann sehen die Mitarbeitenden, dass wir in den vergangenen Monaten nicht nur Worthülsen produziert haben. Dieser Tag wird dazu beitragen, dass das gesamte SüdWasser-Team neuen Stolz für das Unternehmen spürt. Wir alle werden mit einem tieferen und auch neuen Selbstverständnis sowie neuem Selbstbewusstsein an unsere Arbeit gehen.
FM: Wie sieht Ihr Gesellschafter Bayernwerk Ihren Entwicklungsprozess? Und wie Ihre Kunden?
SH: Das Okay vom Bayernwerk kam sehr schnell. Sie unterstützen diesen Prozess, sind aber nicht in die Einzelheiten eingebunden. Man vertraut uns und gibt uns freie Hand. Darüber freue ich mich sehr. Bayernwerk gibt Sicherheit und Vertrauen, oftmals verbunden mit Strom und Energie. Im Bereich Wasserver- und -entsorgung erbringen wir die Leistung, den Service. Wir sind das Gesicht im Markt und vor Ort. Auf der Messe KOMMUNALE und in allen persönlichen Gesprächen stellen wir ihnen die neue Marke und die neue Ausrichtung vor.
FM: Wie geht es mit dem Change-Prozess weiter?
SH: Nach der Präsentation vor der Belegschaft geht die Verantwortung für die Umsetzung auf die Führungskräfte über. Die Kolleginnen und Kollegen vom RISE-Team haben diese Aufgabe zusätzlich zu ihrem Tagesgeschäft übernommen. Das war schon aufwändig. Der Kurs steht, jetzt übernimmt eine andere Ebene. Ich stehe voll hinter dem Projekt und lasse mich zeitnah über alle Entwicklungen informieren.
FM: Wie lief und läuft die Zusammenarbeit mit Bergwerk?
SH: Wir hatten den Markenrelaunch ausgeschrieben, Bergwerk musste sich also in einem Pitch gegen andere Agenturen beweisen. Hier ging es vor allem darum, wie sich die Agentur mit uns und dem Markt auseinandersetzt – und ob die Chemie stimmt. Bergwerk hat sich intensiv eingearbeitet und durch Erfahrung, Herangehensweise und Wissen überzeugt und begleitet uns nun in unserem Veränderungsprozess, sieht unsere Stärken, aber auch unsere Schwächen. Das ist für uns nicht immer einfach. Hier sind Vertrauen, Verstehen und Offenheit wichtig – und all das haben wir vom ersten Moment an gespürt. Bergwerk hat es geschafft, jeden von uns dazu zu bringen, das auszudrücken, was er oder sie fühlt, aber so noch nie artikuliert hat. Das war wirklich beeindruckend. Wir schätzen diese Unterstützung und fühlen uns verstanden. Manchmal habe ich das Gefühl, ihr versteht uns besser als wir uns selbst. Das macht wohl auch den Blick von außen aus: sich seiner selbst bewusster zu werden.
- Sitz: Erlangen
- Mitarbeitende: 65*
*Stand: September 2023