Was wirklich zählt, ist Authentizität

Die Bergwerk-Kreativleiter Henrik Kuhnlein und Thomas Sachs diskutieren, warum Marken erfolgreich sind oder scheitern.

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4 Min.

v.l.: Agenturleitung Laura Brendel mit Kreativleitung Thomas Sachs und Henrik Kuhnlein
Bergwerk

FM: Warum werden in manche Logos sechsstellige Summen investiert?

HK: Wenn eine große Organisation ein neues Logo oder ein neues Corporate Design präsentiert, sieht die Öffentlichkeit nur das Ergebnis und nicht den großen Aufwand, der dafür notwendig war. Ein neues Logo ist viel mehr als nur ein paar Pixel. Es ist das sichtbare Ergebnis eines Veränderungsprozesses, der Monate gedauert hat und noch Monate dauern wird. Die Unternehmens- oder Markenwerte wurden überprüft und eventuell aktualisiert. Dutzende von Designvorschlägen wurden erarbeitet, präsentiert, diskutiert und wieder überarbeitet. Sämtliche Kommunikationsmittel wurden angepasst. Das alles ist aufwändig, kostet Zeit und damit Geld.

TS: Wenn ich mir einen neuen Style zulegen will, ist es nicht damit getan, mir eine neue Hose zu kaufen. Der gesamte Kleiderschrank kommt auf den Prüfstand. Nichts anderes machen Unternehmen, die ihre Marke neu gestalten oder verändern. Alles muss sorgfältig bedacht und geplant sein. Schließlich geht es um Entscheidungen und Ergebnisse, die viele Jahre lang Bestand haben sollen.

Wirkliche Veränderung schaffen nur neues Denken, anderes Handeln, bewussteres Wirken. <span class="quote-author">Henrik Kuhnlein, Kreativleitung im Bergwerk</span>


FM: Was ist der Unterschied zwischen einem Logo und einer Marke?

TS: Eine Marke ist ein komplexer Organismus, der sich aus vielen Elementen zusammensetzt. Das Logo ist ein wichtiger, aber nur ein kleiner Teil ­davon. Gute Markenarbeit beantwortet auch Fragen wie „Welche Werte stecken hinter der Marke, welche Emotionen weckt sie in mir, wie schmeckt, riecht und klingt sie, wie nehme ich sie insgesamt wahr?“

HK: Wenn man sich die Logos großer Marken anschaut, wirken sie oft sehr schlicht. Das können vier Kreise sein, die ineinander übergehen, drei Streifen nebeneinander oder ein angebissener Apfel. Ist das schwer zu gestalten? Nein, aber auf solche ikonischen Lösungen muss man erst einmal kommen. Entscheidend für den Erfolg einer Marke ist, welche Gefühle man mit ihr verbindet. Diese Gefühle zu erzeugen – das ist Markenarbeit. Sie umfasst das Produkt und seine Geschichte ebenso wie einen Anruf beim Customer Service. Das Logo ist nur der Absender für die vielen Details, die eine Marke ausmachen. Oft ist es der erste Touchpoint, den man mit ihr hat, vergleichbar mit der ersten Begegnung von zwei Menschen. Da entstehen innerhalb von Millisekunden eine Vielzahl von Gefühlen, die über die Qualität der gesamten weiteren Beziehung entscheiden können.

TS: Ganz wichtig ist der Wiedererkennungseffekt. Ich sehe drei Streifen und weiß genau, für wen und im Idealfall auch für was sie stehen – für welche Werte, für welchen Sinn. Ob in New York oder in München: Ich sehe einen Apfel über einem schönen Geschäft und weiß genau, was mich dort erwartet. Ich kaufe heute ein Produkt und weiß, dass es genauso aussieht, genauso schmeckt und die gleiche Qualität hat, wenn ich es morgen wieder kaufe. Das alles ist das Ergebnis guter Markenarbeit.

Thomas erklärt im Gespräch unter vier Augen was gute Markenarbeit ausmacht.

FM: Reicht es, wenn eine Marke nur gut aussieht?

TS: Es hilft, um Neugierde zu wecken und Sympathie aufzubauen. Es hilft nicht, wenn das Produkt nicht hält, was der schöne Schein verspricht. Themen wie Green Washing werden heute sehr kritisch gesehen und führen dazu, dass Marken von Konsumenten abgestraft werden. Auch hier passt der Vergleich mit dem ersten Kennenlernen: Es ist gut, wenn ich in einen Raum komme und die anderen denken „Wow“. Wenn ich diesen ersten Eindruck aber nach einer Stunde nicht durch meine Persönlichkeit bestätigt habe, ist der Wunsch nach einem Wiedersehen eher unwahrscheinlich.

HK: In einem solchen Fall reicht es nicht, sich eine andere Brille oder Frisur zuzulegen. Auf die Markenarbeit übertragen: Würden wir einem Kunden sagen, er braucht nur ein neues Logo, um Veränderung herbeizuführen, wären wir keine gute Agentur. Ein neues Logo kann den ersten Eindruck verbessern. Wirkliche Veränderung schaffen nur neues Denken, anderes Handeln, bewussteres Wirken. Das neue Logo ist dann der Botschafter dieser Veränderung und macht sie sichtbar.

FM: Was sind die wichtigsten Voraussetzungen für gute Markenarbeit?

TS: Man muss seine Zielgruppe kennen und maßgeschneidert bedienen. Nicht zu viel tun und nicht zu wenig.

HK: Man muss es schaffen, seine Zielgruppen auf allen Ebenen anzusprechen und mit allen Sinnen. Ein Beispiel ist der Einzelhandel. Bei einem Anbieter hochwertiger Produkte geht es nicht nur um die Qualität der Ware. Da muss es auch schön aussehen, gut riechen und erstklassigen Service geben. Alles spielt zusammen und formt so das Markenerlebnis des Kunden.

Thomas und Henrik unterhalten sich über gute Markenarbeit.

FM: Woran kann eine Marke scheitern?

HK: Wenn Anspruch und Wirklichkeit nicht zusammenpassen. Nichts ist schlimmer, als Kunden zu enttäuschen. Ein schönes Logo, ein toller Auftritt – aber die Qualität ist schlecht? Gescheitert. Nachhaltigkeit propagieren, aber die Produkte werden unter fragwürdigen Umständen hergestellt und transportiert? Gescheitert. Eine Dienstleistung, die unfreundlich erbracht wird? Gescheitert.

TS: Gute Markenarbeit muss alle Details berücksichtigen. Unsere Arbeit – das Herausarbeiten der Markenwerte sowie die visuelle und inhaltliche Vermittlung der Markenbotschaften – ist eines dieser Details. Ein wichtiges, aber nur eines von vielen, die für den Erfolg einer Marke wichtig sind.

FM: Was macht eine gute Marke aus?

HK: Authentizität. Alle Touchpoints müssen bestätigen, was die Marke für sich Anspruch nimmt.

TS: Alles muss stimmen – vom ersten Eindruck über den zweiten Blick bis zum dritten Kauf.

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